|  | Imâm Schafi´î
 Sein Name ist Muhammad 
      Abû Abd Allah ibn Idrîs ibn al-´Abbâs al-Haschimî asch-Schafi´î, verwandt 
      mit dem Gesandten Allahs – Allahs Segen und Friede seien auf ihm – durch 
      seine Abstammung vom Zweig der Banî Haschim vom Stamme der Quraisch. Er 
      wurde im Jahre 150 nach der Hijra (767 n.Chr.) in Palästina in der Stadt 
      Gaza geboren und kam nach dem Tode seines Vaters im Alter von zwei Jahren 
      nach Mekka, wo er aufwuchs und zuerst den Qur’ân und anschließend Imâm 
      Mâlik’s al-Muwatta memorisierte. Bereits im Alter von fünfzehn 
      Jahren erhielt er von seinem Scheikh, dem Muftî von Mekka Muslim ibn 
      Khâlid az-Zinjî, die Erlaubnis, Rechtsgutachten (fatwa) zu geben. 
      Er reiste nach Medina und studierte dort bei Imâm Mâlik, der von seiner 
      Auffassungsgabe und seinem Gedächtnisbeeindruckt war und den er Zeit 
      seines Lebens mit den Worten: „dies ist, was der Meister gesagt hat 
      (hâdha qaul al-ustadh)“ zitierte. Später reiste er nach Baghdad, um 
      dort bei Muhammad ibn Hasan asch-Schaibânî, einem der bekanntesten Schüler 
      und Nachfolger Imâm AbûHanîfa’s zu lernen.
 Nachdem er so seine 
      Kenntnisse der Rechtswissenschaften von den größten Autoritäten seiner 
      Zeit erworben hatte, arbeitete er als erster die Grundprinzipien dieser 
      Wissenschaft (usûl al-fiqh) heraus und veröffentlichte sein 
      berühmtes Werk Ar-Risâla, welches er vierhundertmal durchlas, um 
      Fehler auszuschließen. In Baghdad entwickelte er seine als ‚frühe 
      Rechtsschule’ (madhhab al-qadîm) bekannten Positionen.
 
 Sein 
      bedeutendster Schüler zu dieser Zeit war Ahmad Ibn Hanbal, der, als er 
      einmal kritisiert wurde, weil er den Vorträgen des Hadîth-Meisters 
      Sufyân ibn ´Uyayna fernblieb um an Schafi´î’s Vorlesungen teilzunehmen, 
      sagte: „Sei nur still! Wenn du ein Hadîth mit einer kurzen 
      Überlieferungskette verpaßt, kannst du es woanders mit einer längeren 
      finden und du wirst keinen Schaden nehmen. Wenn Du aber die Erklärungen 
      dieses Mannes (Schafi´î) verpaßt, kannst du sie, so fürchte ich, nirgendwo 
      anders finden!“ Als unter der Herrschaft einiger Abbassiden-Khalifen die 
      Lehre der Mutazila zur offiziellen Glaubenslehre wurde und die 
      sunnitischen Imâme um ihr Leben fürchten mußten, beschlossen beide 
      gemeinsam, daß es besser sei, wenn einer von ihnen ins Exil ginge, um das 
      Wissen, dessen wichtigste Träger sie waren, vor der Vernichtung zu 
      bewahren. So ging Imâm Schafi´î nach Kairo während Imâm Ahmad im Irak 
      blieb. In Kairo entwickelte Imâm Schafi´î die später als ‚neue 
      Rechtsschule’ (madhhab al-jadîd) bezeichnete Positionen, die er in 
      seinem monumentalen Werk al-Umm veröffentlichte. Imâm Schafi´î 
      zeichnete sich neben seiner tiefen Frömmigkeit durch seine 
      unvergleichlichen Kenntnisse des Qur’ân und seiner Auslegung, der 
      Hadîthe, der arabischen Sprache, ihrer Grammatik und ihrer 
      Dichtkunst sowie beispiellosen Scharfsinn und kompromisslose 
      Unbestechlichkeit in Glaubensdingen aus.
 
 Yunus Ibn Abî Ya’la sagte 
      über ihn: „Wenn er den Qur’ân auslegte, kam es einem vor, als sei er bei 
      dessen Offenbarung dabei gewesen.“ Und Ahmand ibn Hanbal sagte: „ Keiner 
      der Gelehrten der Hadîth-Wissenschaften hat ein Tintenfaß odereine 
      Schreibfeder angefasst, ohne dabei gewaltig inasch-Schafi´î’s Schuld zu 
      stehen.“ Hasan ibn Muhammad az-Za´franî bemerkte: „ Die Gelehrten der 
      Hadîth-Wissenschaften waren im Schlaf versunken, und erwachten, als 
      asch-Schafi´î sie aufweckte.“ Imâm Schafi´î’s Schüler und Protokollar 
      seiner Vorlesungen Rabi´ibn Sulaimân berichtete: „Ich habe siebenhundert 
      Reitkamele an Schafi´î’s Pforte angebunden gesehen, die denen gehörten, 
      die kamen um zu hören, wie er seine Schriften auslegte.“
 
 Obwohl er 
      insgesamt über hundert Werke verfasste, und die Wissensdurstigen zu 
      Hunderten in seine Vorträge strömten, hielt er sich nie für mehr als einen 
      Überbringer der ihm anvertrauten Gaben und hoffte darauf„daß die Menschen 
      dieses Wissen erlernen, ohne mir davon auch nur einen einzigen Buchstaben 
      zuzuschreiben!“ Sein Lebensstil war von Einfachheit und Bescheidenheit 
      geprägt. Sein Ring trug die Inschrift:„Allah ist Muhammad ibn Idrîs als 
      Sachwalter genüge“. Gefragt, warum er beim Gehen einen Stock bei sich 
      trage, obwohl er weder alt noch gebrechlich sei, sagte er: „Ich tue es, um 
      mich daran zu erinnern, daß ich in dieser Welt nur ein Reisender bin.“ Er 
      hinterließ eine große Zahl von Schülern, die die Imâme ihrer Zeit waren, 
      unter anderen Imâm Ahmad ibn Hanbal, Daud az-Zâhirî, al-Karabisî, 
      az-Za´franî, Rabi´ ibn Sulaimân und al-Muzanî. Imâm Schafi´î’ verließ 
      diese Welt im Alter von 53 Jahren 204 nach der Hijra (820 n.Chr.) und 
      liegt in Kairo begraben
 – möge Allah mit ihm zufrieden sein und ihm 
      vielfachen Lohngewähren für seine Dienste für die Gemeinde Muhammads 
      –Allah segne ihn und schenke ihm Frieden!
 Quellen: 
      Appendix des Buches „The Reliance of the Traveller“ von Ahmad ibn Naqib 
      al-Misrî, englische Übersetzung von Noah Ha Mim Keller und „Imam Shafi`i“ 
      von Dr.G.F. Haddad. Zusammengestellt und ins Deutsche übertragen von ´Abd 
      al-Hafidh Wentzel |