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Imâm Abû Hanîfa
Sein vollständiger
Name lautet Abû Hanîfa an-Nu‘mân ibn Thabit, genannt al-Imâm
al-A‘zam (der größte Imâm). Imâm Abû Hanîfa wurde im Jahre 80 nach
der Hijra (689 n. Chr) in der Stadt Kufa im Irak geboren. Seine
Eltern waren persischer Abstammung. Er ist der erste der Imâme der
vier Rechtsschulen und der einzige unter ihnen, der zu den
tabi’în, den „Nachfolgern“ gezählt wird, weil er
Prophetengefährten persönlich begegnet ist, nämlich Anas ibn Mâlik,
‘Abd Allah ibn Abî Awfa, Sahl ibn Sa’d as-Sa’îdî, Abû at-Tufayl und
‘Amir ibn Wathîla – möge Allah mit ihnen allen zufrieden sein!
Abû Hanîfa war es, der als erster unter den Gelehrten des Islam
das göttliche Gesetz (scharî’a) und die Rechtswissenschaft
(fiqh) analysierte, klassifizierte und systematisierte und in
verschiedene Bereiche wie
Tahâra
(rituelle Reinheit), Salât (Gebet), Zakât
(Pflichtabgabe), Hajj (Pilgerfahrt), fara’id
(Erbrecht) usw. einteilte, eine Ordnung, die fast alle späteren
Gelehrten und Imâme wie Mâlik, Schâfi’î, Ibn Hanbal, al-Bukhârî,
Muslim und viele andere nach ihnen übernahmen. Imâm Schâfi’î sagte
deshalb: „In der Rechtswissenschaft sind alle Gelehrten Kinder Abû
Hanîfas.“ Abû Hanîfa war auch der erste, der die Kriterien und
Voraussetzungen für Analogie-Schlüsse (qiyâs) in Fällen in
denen keine eindeutige Entscheidungsgrundlage zu einer Frage im
Qur’ân oder der propheteischen Tradition (sunna) vorlag definierte.
Er war ebenso bekannt für seine große Exaktheit in allen
Glaubensdingen wie für seine Frömmigkeit, Freigiebigkeit und
Gottesfurcht. So wird berichtet, daß er 40 Jahre lang das
Morgengebet mit der rituellen Waschung des Nachtgebetes verrichtete,
d.h. die ganze Nacht mit Gebet, Rezitation und Gottesgedenken
verbrachte um anschließend den Tag über zu lehren und Fragen zu
beantworten, alles nur unterbrochen durch einen kurzen Mittagsschlaf
nach dem Zuhr-Gebet. Seinen Lebensunterhalt, den er durch
Handel bestritt, teilte er großzügig mit seinen Schülern und den
Bedürftigen. So wird beispielsweise berichtet, daß er jeden Freitag
20 Goldmünzen im Namen seiner verstorbenen Eltern unter den Armen
verteilte. Als ihm vom damaligen Herrscher der Posten des obersten
Richters angetragen wurde, weigerte er sich und ließ sich auch durch
Schläge und Haft nicht dazu bringen, dieses Amt anzunehmen. Abû
Hanîfa starb im Jahr 150 n.d. Hijra im Alter von 70 Jahren in
Baghdad. An seinem Begräbnis nahm eine Menge von 50.000 Menschen
teil. Er liegt dort in einer prächtigen, nach ihm benannten Moschee
begraben. Durch die Geschichte der islamischen Dynastien
einschließlich der Abbasiden bis zu den Osmanen war der von ihm
begründete Madhhab fast überall die offizielle
Rechtsgrundlage staatlicher Gerichtsbarkeit und auch heutzutage
folgen mehr als die Hälfte aller Muslime seiner Rechtsschule. Möge
Allah mit ihm zufrieden sein und ihm den gebührenden Anteil am Lohn
all derer gewähren, die auf seinem Wege Allah und Seinem Propheten –
Allah segne ihn und schenke ihm Frieden –
folgen.
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