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Bismillahi r-Rahmāni r-Rahīm
Der vorbildliche Umgang des Propheten
mit den Menschen
von
Osman Nuri Topbas*
Allahs Gesandter – Segen und Friede Allahs seien auf ihm
– war nicht nur in seinen Worten sondern auch in all seinen
Taten und Handlungen das vollkommene Vorbild und das beste Beispiel.
Er war ein perfektes Modell für Menschen in sämtlichen Lebenslagen.
Er behandelte jeden mit Respekt. Seine Barmherzigkeit, die allen Geschöpfen
galt, war grenzenlos. Seine Liebenswürdigkeit und sein großzügiges
Verhalten galt den Gläubigen wie auch denen, die nicht gläubig
waren gleichermaßen.
Jabir ibn ´Abdullah berichtete: „Eines Tages wurde ein
Leichnam vorbeigetragen. Der Gesandte Allahs – Segen und Friede
Allahs seien auf ihm – erhob sich und wir erhoben uns mit ihm.
Später sagten wir zu ihm: ,O Gesandter Allahs, es war der Leichnam
eines Juden.’ Er antwortete: ,Ist er nicht ebenso ein Mensch?’“
(1)
Er war eine göttliche Gnade, eine Manifestation des göttlichen
Namens ar-Rahmân, der die ganze Welt erfüllte.
Sein ganzes Leben war eine Verkörperung des Grundsatzes „liebe
die Geschöpfe um ihres Schöpfers willen!“ Einmal kam
eine Gruppe seiner Gefährten, getrieben von der ständigen
Unterdrückung durch die Gegner des Glaubens, zu ihm und bat ihn,
er möge die Feinde verfluchen. Er antwortete ihnen: „Ich
bin nicht gekommen, um zu verfluchen, sondern ich wurde als Barmherzigkeit
für alle Welten gesandt!“ (2)
Das Gebet, das er gegen seine bittersten Feinde machte, war: „O
mein Herr! Sie sind unwissend, gib’ Du ihnen Rechtleitung!“
(3)
´Abdullah ibn ´Ubayy war der heimliche Anführer der
Heuchler in Medina. Er hatte den Propheten an einem besonders kritischen
Tag im Stich gelassen, indem er mit seinen Anhängern die muslimischen
Truppen auf ihrem Marsch nach Uhud verlassen hatte. Außerdem
hatte er den Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden
– und die Gemeinschaft der Gläubigen bei vielen anderen
Gelegenheiten betrogen und hintergangen. Doch gemäß dem
verborgenen Plan der göttlichen Weisheit war ´Abdullahs
Sohn, ganz im Gegensatz zu seinem Vater, ein sehr aufrichtiger Gläubiger.
Als ´Abdullah ibn ´Ubayy schließlich starb, kam
sein Sohn zum Propheten und bat ihn um sein Hemd, um den Leichnam
seines Vaters darin zu begraben, in der Hoffnung, daß sein Vater
durch den Segen dieses Hemdes gerettet werden könne. Der Gesandte
Allahs – möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken
– wollte das Herz seines Gefährten nicht brechen und gab
ihm sein Hemd, um damit den Leichnam eines Heuchlers einzuhüllen,
der unter anderem einer der Protagonisten bei der Verleumdungskampagne
gegen Aischa, die gesegnete Ehefrau des Propheten, gewesen war. (4)
Gibt es ein vergleichbares Beispiel derartiger Menschlichkeit und
Güte in der Geschichte dieser Welt? Muhammad – Allah segne
ihn und schenke ihm Frieden – war das exzellenteste Beispiel
an Barmherzigkeit. Als er einmal im Gebet hörte, wie ein Beduine
bat: „O mein Herr, Segne Muhammad und mich allein, aber nicht
die Anderen!“, sagte der Prophet hinterher zu ihm: „Du
machst das, was weit ist, eng!“ (5)
Der Gesandte Allahs – Segen und Friede sein auf ihm –
gehört nicht zu den Persönlichkeiten, deren Sein und Wirken
ausschließlich auf eine bestimmte Region, ein spezielles Volk
oder eine Epoche der Menschheitsgeschichte beschränkt sind. Seine
Stellung erlaubt es, die gesamte Menschheit unter dem Banner der Liebe,
der Barmherzigkeit und des Glücks zu vereinen, sie zu verschmelzen
durch die Transformation verhärteter Herzen im strahlenden Lichte
des Glaubens und des Islam, zu einer Gemeinschaft frei von heuchlerischer
Frömmelei und rassistischem Dünkel. Seine Erfolge in dieser
Hinsicht stellen die glänzendsten Seiten im Buch der Geschichte
der Menschheit dar. Aus diesem Blickwinkel betrachtet wurde er zum
besten Erzieher der Menschheit in Folge der gesegneten göttlichen
Erziehung, die ihm zuteil geworden war. Die Unterdrücker, die
ihre Töchter bei lebendigem Leibe begraben und ihre hilflosen
Sklaven gnadenlos gequält hatten, fanden zum rechten Weg der
Wahrheit und Gerechtigkeit unter seiner Kuppel der Barmherzigkeit.
Diese Erziehung erwies sich als so erfolgreich, daß aus einigen
dieser Leute, aufgrund ihrer Integrität und Tugenden, die hervorragendsten
Persönlichkeiten der Weltgeschichte wurden.
Unser Prophet Muhammad – Allah segne ihn und
schenke ihm Frieden – half, ohne Unterschiede zu machen, allen
Menschen entsprechend ihrer Hilfsbedürftigkeit. Der folgende
Vorfall spiegelt dies deutlich wieder: Ein Beduine kam zu ihm und
bat um Unterstützung. Er gab ihm alles, was er bei sich hatte
und fragte: „Bist du damit zufrieden?“ Der Beduine, der
wenig Höflichkeit besaß, sagte: „Nein! Du hast mir
nicht genug gegeben!“ Einige der Gefährten wurden wegen
seiner Frechheit ärgerlich und wollten ihn zurechtweisen, doch
der Gesandte Allahs – Segen und Friede seien auf ihm –
hinderte sie daran. Er nahm den Beduinen mit und brachte ihn zu sich
nach Hause. Dort gab er ihm noch mehr Sadaqa (Spenden) und fragte
ihn: „Bist du nun zufrieden?“Der Beduine war glücklich
und sagte: „Ja! Möge Allah dir gewaltigen Segen geben um
meinetwillen und um meiner Familie und Angehörigen willen!“
Dann sagte der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden
– um das unangenehme Gefühl zwischen dem Beduinen und seinen
Gefährten auszuräumen: „Du hast am Anfang das gesagt
was du gesagt hast, weil du dachtest, was wir dir gaben sei zu wenig
für dich. Es kann sein, daß meine Gefährten aus diesem
Grunde dir gegenüber negative Gefühle entwickelt haben.
Wenn wir zurückkommen, sag’ noch einmal was du gerade eben
gesagt hast, damit diese Gefühle aus ihren Herzen verschwinden.“Als
sie zurückkamen an den Ort, wo die Gefährten warteten, wandte
sich der Beduine an den Propheten – Allah segne ihn und schenke
ihm Frieden – und sagte zu ihm: „Möge Allah dir gewaltigen
Segen geben um meinetwillen und um meiner Familie und Angehörigen
willen!“ Nachdem der Beduine sich verabschiedet hatte, wandte
sich der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden –
an seine Gefährten und sagte: „Was sich da zwischen mir
und diesem Beduinen abgespielt hat, ähnelt der Geschichte eines
Mannes, dem sein Kamel entlaufen war. Als eine Gruppe von Leuten dem
Kamel hinterherliefen, um es einzufangen, scheute es und lief weiter
weg. Der Besitzer des Kameles rief den Leuten zu: ,Bitte laßt
mich mit meinem Kamel allein! Ich kenne es besser als ihr und ich
weiß, wie ich mit ihm umgehen muß.’ Er ging alleine
auf sein Kamel zu. Er hob ein paar vertrocknete Datteln auf und lockte
damit das Kamel an. Das Kamel kam auf ihn zu und folgte ihm. Er sattelte
das Kamel, stieg auf und ritt davon. Ähnlich war das mit diesem
Beduinen: hätte ich auf euch gehört, als er jene Worte sagte,
wäre dieser bemitleidenswerte Beduine ins Höllenfeuer gegangen.“
(6)
Dieses Gleichnis enthält eine sehr wichtige Botschaft für
den erzieherischen Umgang mit Menschen. Es ist unerläßlich,
die Psychologie der menschlichen Charaktere zu berücksichtigen,
denn nur so läßt sich der Zugang zum Herzen eines Menschen
entdecken. Deshalb sollte man bemüht sein, sein Ziel auf diesem
Wege zu erreichen. Ansonsten werden alle Versuche, eine Lehre zu vermitteln
vergeblich sein und eher das Gegenteil bewirken indem eventuell bereits
bestehende Aversionen noch verstärkt werden.
Und noch eine andere Lehre läßt sich aus dieser Geschichte
ziehen: Menschen sind, weil sie als schwache Geschöpfe erschaffen
wurden, leicht mit Liebenswürdigkeit und Großzügigkeit
zu überwältigen. Derjenige, der großzügig behandelt
wird, wird weniger feindselig sein, wenn er vorher ein Feind war,
zum Freund werden, wenn er vorher neutral war und zu einem noch engeren
Freund werden, wenn er bereits vorher ein Freund war.
* aus:
Osman Nuri Topbas
Der Prophet der Barmherzigkeit Muhammad
Szenen aus seinem Leben
Deutsche Übersetzung: Abd al-Hafidh Wentzel
Erkam Verlag, Istanbul, 2004
216 S., Paperback
Bestellungen an: abdal-hafidh@warda.info
oder: Adnan Sarp, altinoluk.avrupa@netcologne.de
(1) Bukhârî, Janâiz 50; Muslim, Janâiz
81
(2) Muslim, Jihâd 104; Abû Ya´lâ,
al-Musnad, XI, 35; al-Bayhaqî, as-Sunnan al-Kubrâ,
III, 352; at-Tabarânî, al-Mu´jam al-Ausat,
III, 223
(3) Bukhârî, Anbiyâ 54; Muslim, Jihâd
104; ibn Mâjah, Fitan 33; Ibn Hibbân, as-Sahîh,
III, 254
(4) Bukhârî, Janâ'iz 23; Muslim, Munafiqûn
4; Abû Dâwûd, Janâ'iz 1; Nasâî,
Janâ'iz 40; Ahmad ibn Hanbal, al-Musnad, II, 18
(5) Bukhârî, Adâb 27; Ibn Mâjah,
Tahâra 78; Ahmad ibn Hanbal, al-Musnad, II,
239
(6) al-Marwazî, Ta´zim Qadr as-Salât, II,
931; al-Haythamî, Majma az-Zawâhid, IX, 160 |