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Bismillahi-Rahmâni-Rahîm
Aus Schah Baha’uddîn Naqschbands
Bericht
über seine Lehrjahre bei Meister Amîr Kulâl
– möge Allah ihrer beider Geheimnisse
heiligen –
Schah Baha'uddîn berichtete:
„In
den frühen Tagen meiner Suche begegnete ich dem großen
Meister und Gottesfreund Amîr Kulâl. Zu jener Zeit
befand ich mich in einem ekstatischen Zustand. Er sagte zu mir:
‚Versuche die Herzen zu heilen! Diene den Schwachen! Schütze
die Armen und die, die gebrochenen Herzens sind! Sie sind diejenigen,
denen von anderen Leuten nichts zukommt. In ihrer Gegenwart
findet das Herz zu vollkommener Ruhe, Demut und Selbstlosigkeit.
Sie sollst Du suchen!’
Ich folgte dem Rat dieses großen Meisters und arbeitete
für lange Zeit auf diesem Gebiet. Anschließend befahl
er mir, Tieren zu dienen, indem ich ihre Krankheiten heilte.
Er befahl mir, ohne weitere Hilfsmittel mit aufrichtiger Hingabe
ihre Wunden zu reinigen und zu verbinden. Ich erfüllte
auch diese Aufgabe, indem ich seine Anweisungen bis aufs Wort
genau befolgte.
In jener Zeit war ich in einem solchen Zustand, daß ich,
wenn ich auf der Straße einem Hund begegnete, anhielt
und diesem den Vortritt ließ, weil ich ihm auf keinen
Fall zuvorkommen wollte. Dieser Zustand hielt ununterbrochen
sieben Jahre lang an.
Dann befahl er mir, seinen eigenen Hunden treu und respektvoll
zu dienen und sie um Unterstützung (al-Imdâd)
zu bitten. Er sagte: "Du wirst, während du einem von
diesen Hunden dienst, große Glückseligkeit erfahren!’
Ich wußte, daß dieser Befehl ein großes Geschenk
für mich war. Ich unterließ keine Anstrengung. Ich
hatte die Bedeutung seiner Bemerkung verstanden und wartete
auf das frohe Ereignis. Als ich eines Tages einen der Hunde
versorgte, wurde meine Seele von einem gewaltigen Zustand überwältigt.
Ich stand vor dem Hund. Der Hund schaute mich an und ich konnte
meine Tränen nicht zurückhalten. Mir war, als wäre
es Qitmîr, der gesegnete Hund der Siebenschläfer…
Während ich weinte, legte sich der Hund auf den Rücken
und streckte seine Pfoten zum Himmel. Dann begann er ebenfalls
zu weinen und Geräusche der Trauer von sich zu geben. Auch
ich hob voller Demut meine Hände und sagte: ,Amîn!’
Dann beruhigte sich der Hund und erhob sich wieder.
An einem anderen jener Tage verließ ich das Haus, um zu
irgendeinem Ort zu gehen. Unterwegs begegnete ich einem Chamäleon,
dessen Farben sich mit der Farbe des Sonnenlichtes veränderten.
Es befand sich in einem Zustand von Ekstase. Auch ich geriet
bei seinem Anblick in Ekstase und sagte zu mir selbst: ,Ich
will dieses Tier um seine Fürsprache am Jüngsten Tage
bitten, denn dieses gesegnete Tier hat sicherlich die Stufe
erreicht, Fürsprecher für andere zu sein!’ Ich
stand vor ihm in vorbildlichem, respektvollem Benehmen und erhob
meine Hände. Dieses gesegnete Tier ging in spirituelle
Zustände über, in die es gleichsam hineingezogen wurde,
legte sich auf den Rücken und wandte sein Gesicht dem Himmel
zu. Während es in dieser Position verharrte sagte ich:
,Amîn!’
Später befahl mir mein Meister, die Straßen von allem
zu säubern, was die Menschen auf ihren Wegen behindern
könnte. Ich bemühte mich sieben Jahre lang derart,
diese Aufgabe zu erfüllen, daß meine Kleider stets
schmutzig vom Staub der Steine und der Straßen waren,
die ich zu säubern hatte.
Zusammengefaßt kann ich sagen, daß ich mit voller
Aufrichtigkeit und treulich genau all das tat, was der große
Meister Amîr Kulâl mir an Aufgaben gab. Meine Seele
wurde dadurch erfüllt von spiritueller Freude und mein
Zustand erlebte gewaltige Veränderungen.“
aus Hadâ’iqatu l-Wardiyya
von Scheikh ´Abd al-Majîd
al-Khânî (gest. 1319 Hijrî)
übersetzt von ´Abd al-Hafidh Wentzel |